Über den Verlauf des gesamten Trecks durch Hinter- und Vorpommern bis hin auf die Insel Rügen hat Friedrich Schmidt sen. 1883 – 1950 Aufzeichnungen angefertigt. Weitgehend ungekürzt geben seine Schilderungen einen authentischen Eindruck der Strapazen wieder. Die Ortbezeichnungen lassen uns die Route und die Stationen des Trecks nachverfolgen.
Am 9. Februar, mittags 13.00 Uhr, verließen wir, Mutter, Hede und ich Pammin mit drei Rädern, alle vorn, hinten und in der Mitte voll bepackt. Mit dem Rucksack auf dem Rücken, die Räder schiebend, schließen wir uns dem Treck an. Den ersten Tag sind wir bis Köntopf gekommen. Hier haben wir bei einer Frau Steinke übernachtet. Da sie schon mehrere Flüchtlinge im Haus hatte, haben wir in der Stube in unseren Betten auf dem Boden geschlafen.
Den nächsten Tag ging es dann weiter nach Klein-MeIlen, wo wir wieder übernachten sollten. Da aber ein Teil der Pamminer Klein MeIlen schon am ersten Tag erreicht hatten, sind wir dann mit ihnen zusammen in Richtung Schönwalde weitergezogen. Einige Pamminer, auch Onkel Otto und Tante Anna, kehrten in Klein MeIlen um, wohl auf Gerüchte hin, daß die Russen um Kallies herum stecken geblieben wären. Sie haben auch später den Treck nicht wieder erreicht. In Schönwalde angekommen, kamen wir die Nacht auf einem Gut im Massenquartier unter.
Den nächsten Tag haben wir dann Stramehl erreicht. Die Unterbringung war wieder in einem Massenquartier.
Von dort ging es weiter nach Mesow. Dort hatte uns Mutter bei einer Frau Fredrech Unterkunft besorgen können. Sie hatte schon zwei Soldaten als Einquartierung, doch hat sie uns noch aufgenommen. Ich durfte auf einem Sofa schlafen. Mutter und Hede schliefen in unseren Betten in der Stube. Die Räder konnten wir im Stall unterstellen. Wir sind hier sehr gut aufgenommen worden.
Dann ging es weiter nach Daber-Freiheit. Hier waren wir wieder mit Gustaf Binder zusammen bei einer Frau Rühl im Privatquartier untergekommen.
Den nächsten Tag ging es dann weiter nach Hohenschönau. Bei einem Bauern haben wir dann mit Hermann Jolitz und Höfts zusammen übernachtet. Mit 11 Personen haben wir dort in der Stube auf Stroh geschlafen.
Weiter ging es nach Lenz, Kreis Saatzig. Dort waren wir drei Tage mit Hermann Jolitz, Frau Jenke, Tante Frieda, dem alten Brunk und Zimmermanns zusammen. Hatten ein Zimmer und Küche dort zusammen. Wir konnten da nun aus unseren Vorräten kochen. Hier konnte ich mir noch meine inzwischen durchgelaufenen Stiefel besohlen lassen. Der gute Mann ist extra nach Stargard gefahren, hat dort noch ein Stück Leder bekommen und hat mir am Sonntag (18. Februar 1945) die Stiefel mit echten Ledersohlen besohlt. Den nächsten Tag wurde Stargard schon von den Russen beschossen.
Den nächsten Tag sollte es weitergehen, doch wurde die Situation für den Treck hier kritisch. Den ganzen Vormittag haben wir dort auf der Straße gestanden und gefroren. Da Hedes Urlaub auslief und sich für sie die Gelegenheit bot, mit einem Militärfahrzeug nach Stettin zu kommen, wurde in 10 Minuten umgepackt und sie fuhr ab. So war sie in Sicherheit, denn es war ja nicht abzusehen, was noch werden würde. Das Fahrrad hat dann Herta Nenn weiterbenutzt. Die Sachen vom Fahrrad konnten wir auf einigen Wagen unterbringen. Hier fanden sich auch noch viele Pamminer Nachzügler ein. Mit ihnen auch Bürgermeister Fröhlich, Ernst Ziech und Julius Ferch. Bis hier her hatte uns der Gutsbesitzer Modrow geführt und es hat im Allgemeinen mit der Unterbringung geklappt. In dieser kritischen Situation stellte sich Modrow dem dortigen Volkssturm zur Verfügung. Die Führung übernahm nun Bürgermeister Fröhlich.
Einige Überkluge waren nun der Meinung, die Russen würden nicht weiterkommen. Man wollte zurückfahren, denn noch immer hielten unsere Truppen die Stellung hinter Kallies. Also ging es zurück Richtung Freienwalde. Doch schon bei Massow mussten wir wieder zurück.
Nächste Station war nun Rosenow. Mutter hat dort für uns beide Unterkunft gefunden. Wir haben dort, durchgefroren wie wir waren, im Bett schlafen können. Von hier aus haben wir die beiden Gütertrecks verloren. Sie waren uns immer voraus, weil sie wahrscheinlich die bessere Führung hatten.
Von Rosenow ging es auf der Autobahn weiter, da alle Dörfer mit Trecks überfüllt waren und von allen Richtungen der Flüchtlingsstrom zum Oderübergang strebte. Wir mussten in der Nähe Stettin-Rosengarten im Wald übernachten. Körperlich fast am Ende konnte ich die Nacht in einem Lager, wo Frauen und Kinder untergebracht waren, in einer Ofenecke verbringen. Mutter, nicht unterzukriegen, ist bei den Rädern geblieben, um uns diese zu erhalten. Später haben wir dann etwas Verpflegung bekommen, doch Wurst und Brot kam nicht mehr zur Verteilung, da es inzwischen gestohlen worden war.
Morgens in aller Frühe ging es dann weiter auf der Autobahn über die Oder und ganz spät abends kamen wir nach 45 Km Fahrt westlich der Oder in Grünz an. Wir wurden im dortigen Gasthof untergebracht. Der Wirt und seine Frau waren sehr unfreundlich.
Den nächsten Tag zogen wir dann weiter nach Gut Grunow. Bekamen Quartier in einem großen Saal. Hier bekamen wir auch ein warmes Essen.
Von dort ging es dann weiter nach Göritz Kreis Prenzlau. Wir fanden Unterkunft bei der Familie Gustav Schmidt. Dort waren wir zwei Tage. Die Leute waren sehr nett. Die Frau hat uns warmes Essen gegeben. Haben auf ihrem Sofa geschlafen. Obwohl sie schon eine Evakuierte aufgenommen hatten, boten sie uns an, dort zu bleiben.
Am nächsten Tag sind wir dann doch wieder mit unserem Treck weiter gezogen. Bisher hatten wir noch immer einigermaßen erträgliches Wetter gehabt. Doch nach der Kälte fing es nun an zu regnen. Wir kamen bis zu dem Ort Jatgnik/ Ükkermünde. Hier wurden wir zusammen mit Lehmanns und Löffelbeins bei einem Stellmacher untergebracht. Es waren auch sehr gute Leute. Wir konnten uns bei ihnen auch Essen kochen. Wir blieben hier zwei Tage weil nach den Strapazen der vergangenen Tage die Pferde Erholung brauchten und weil Wagen repariert werden mussten.
Nun ging es weiter bis nach Lowitz. Hier wurden wir alle in einem großen Saal eines Reservelazaretts untergebracht. Es gab auch gutes Essen. Für die Kinder zusätzlich Suppe. Unverständlicherweise nörgelte doch jemand, im Eintopf wäre zu wenig Fleisch drinnen. Da musste man sich doch fragen, was sollen die Leute denn noch mehr für uns tun, da doch jeden Tag neue Flüchtlinge kamen.
Der nächste Ort war die Stadt Anklam. Hier hatte Fröhlich für 60 Mann einen Unterkunftsschein in einem Hotel bekommen. Mutter und ich hatten Platz in einer Schule bekommen. Wir hatten Glück und bekamen warmes Essen. Im Hotel gab es nur Stullen und Kaffee.
Von hier aus ging es dann weiter nach Gladrow Post Züssow Kreis Greifswald. Dort kamen wir zusammen mit Karl Splettstößer und noch zwei Leuten aus Ostpreußen zu einer Familie Karl Lehmann etwa einen halben Kilometer vom Ort entfernt. Die Leute waren auch sehr nett und hilfsbereit. Sie haben abends für uns alle Pellkartoffel gekocht und ein großes Glas Sülze dazu aufgemacht, damit wir uns wieder satt essen konnten. Dies war am 2. März 1945. Wir mußten uns dann beim Abschied noch in ein Buch eintragen.
Die letzten Tage war es nun möglich gewesen, einiges von unserem Gepäck von unseren Fahrrädern auf mehrere Wagen unter zu bringen. In den fast vier Wochen war durch das verbrauchte Futter für die Pferde und die Verringerung der Lebensmittel etwas Platz geworden. Und so hatte Hermann Jolitz unser Bett mit raufgenommen. Herta Nenn hat für das Fahrrad, dass sie von Hede übernommen hatte, einen Koffer dafür auf ihren Wagen genommen. Frau Höft hat uns einen Rucksack abgenommen. Frau Splettstößer übernahm eine Tasche, die wir am Rad vorne hängen hatten. Auch Frau Jenke hat uns etwas abgenommen. Und so konnte Mutter und ich nun zeitweise mit dem Rad fahren. Doch dann kam ein grausamer Sturm auf. Wir konnten die Räder nur noch neben den Wagen schieben. Ich war gegen Abend so steif gefroren, dass ich am Abend beim Nachlassen des Sturmes nicht mehr auf das Rad kam. Bei einem Versuch nochmal aufs Rad zu kommen, bin ich gestürzt und um Haaresbreite beinahe von einem Lkw überfahren worden.
Endlich kamen wir dann in Greifswald an. Vollkommen kaputt und durchgefroren. Mutter hatte eine Frau angesprochen. Sie hat uns mitgenommen in ihr Haus. Ihr Mann war Soldat und hieß Hermann Schmidt, ihr Sohn lernte Tischler. Die Frau war die Hilfsbereitschaft selber. Sie hat gleich Essen gekocht, wir mussten uns aufwärmen. In ihren eigenen Betten mussten wir schlafen. Sie hat uns beide Tage, die wir in Greifswald verbrachten behalten und versorgt. Sie war eine wirklich gute Frau.
Doch wieder mussten wir weiter und landeten dann in Devin, Post Milzow. Das war ein Gut und der Besitzer hat nur die 60 Frauen und Kinder aufgenommen. Wir Männer sollten zu den Pferden in die Scheune gehen. In der Scheune war es zugig und kalt. Wir versuchten dann in den Arbeiterhäusern unterzukommen. Doch da war alles voll. Doch Mutter gab nicht auf, als sie von einem Mann hörte, dass im angrenzenden Wald ein Restaurant wäre. Und wir hatten Glück, die Wirtin hatte ein gutes Herz und hat uns aufgenommen. Sie hat uns schnell noch Kaffee gekocht und hat uns in zwei Betten schlafen lassen. Morgens sind wir dann wieder zum Gut zurückgegangen. Der Gutsbesitzer hatte inzwischen Essen kochen lassen. Er war also doch nicht der Schlechteste. Es war auch ein gutes Essen.
Den nächsten Tag ging es dann weiter über Stralsund und die Rügenbrücke nach Poseritz. Immer noch machte uns ein starker Sturm zu schaffen. Wir bekamen hier Unterkunft bei einer Frau Maria Ilsemeier in einem Saal des Bahnhofrestaurants. Die Gemeinde Poseritz gab sich viel Mühe. Wir wurden am Abend und am nächsten Morgen gleich mit warmen Essen versorgt. Auch gab es den nächsten Tag sogar eingelegte Heringe. Die Bevölkerung gab sich jedenfalls die größte Mühe. Doch leider gab es hier unter den Pamminern auch einige unschöne Begebenheiten. Bei der Verteilung der Heringe, aber auch der anderen Mahlzeiten, hatten einige sich doppelt versorgt, sodass die Letzten nichts mehr bekamen. Bei den eingelegten Heringen hatte es uns auch betroffen. Doch die Frau Splettstößer hat uns von ihren Heringen etwas abgegeben. Ähnliches ist auch hin und wieder auf dem Treck passiert. Wir sind während des Trecks vielen guten und hilfsbereiten, und nur wenigen schlechten Menschen begegnet. Doch auch bei den Pamminern gab es dies in dieser Notsituation.